Kaufkraft
Realisierung als Hörstück gemeinsam mit dem Komponisten und Musiker Bernhard Loibner
© Text Robert Woelfl Alle Rechte beim Autor
ZWEI und DREI: Stimmen von Frauen, EINS und VIER: Stimmen von Männern
EINS Ich möchte so viel als möglich fühlen und mich gut dabei fühlen.
ZWEI Ich habe mich einen ganzen Tag lang im Badezimmer eingesperrt. Um das Gefühl von Befriedigung zu verspüren.
VIER Wir müssen uns wohlfühlen können. Wir müssen sagen können, ich fühle mich wohl.
DREI Lieber tot sein, als auf all das verzichten zu müssen. Lieber gestorben und vergessen.
EINS Ich möchte das Gefühl von Nähe verspüren.
ZWEI Von Gemeinschaft.
DREI Oder Geborgenheit.
VIER Wir müssen alles als etwas Positives empfinden. Wir müssen auf alles positiv reagieren.
EINS Eine Umgebung, in der ich Vertrauen empfinden kann.
DREI Das Gefühl, hierher zu gehören.
ZWEI Ein Gefühl von Sicherheit.
DREI Jemand, der genau das Gleiche empfindet wie ich.
VIER Wir müssen uns wohlfühlen können.
EINS So wie wir sind.
VIER Zufrieden in der eigenen Haut.
EINS Auf dem Boden der eigenen vier Wände.
DREI Ich brauche das Gefühl, jemanden zu lieben.
VIER Weil es etwas Wunderbares ist.
DREI Ich möchte nicht auf dieses Gefühl verzichten müssen.
EINS Weil jeder ein Recht darauf hat.
ZWEI Man stirbt.
DREI Ohne jemanden geliebt zu haben.
ZWEI Man stirbt ganz einfach.
DREI Weil man um dieses Gefühl betrogen wird.
ZWEI Ich habe meinen Kopf in das Waschbecken mit kaltem Wasser getaucht. Um in mir ein Gefühl von Zufriedenheit zu erzeugen.
VIER Ich habe die Verabredung abgesagt. Weil ich nicht die passenden Gefühle dafür produzieren konnte.
EINS Ich habe sie angerufen und auf ihren Anrufbeantworter gesprochen. Ich habe sie gefragt, wie es ihr geht.
DREI Ich habe mir mit einem Messer in die Haut geschnitten. Um ein Gefühl von Ruhe zu verspüren.
EINS Ich wollte nur von ihr hören, es geht ihr gut.
DREI Ich wollte mich nur ruhiger fühlen.
VIER Ich möchte empfindlicher sein.
ZWEI Könnte man überhaupt mehr Empfindungen haben.
DREI Sich weiterentwickeln und Gefühle entwickeln.
EINS Ein Gefühl von Wirklichkeit und sich verwirklichen können.
ZWEI Eine Vielzahl von guten und beständigen Gefühlen.
DREI Ein Fluß in seinem Flußbett.
EINS Ein Fluß im Überfluß.
ZWEI Treu wie die gesammelten Treuemarken.
VIER Ich möchte alles als etwas Selbstverständliches empfinden.
EINS Ich habe mich ins Bett gelegt und onaniert. Um mich wieder mit ihr zu beschäftigen.
ZWEI Ich habe ihm Briefe geschrieben und die Briefe nicht abgeschickt.
DREI Lieber tot, als immer nur das Falsche in einem zu entdecken.
VIER Die verrücktesten Gespenster.
EINS Die man nur empfinden kann.
DREI Ich brauche etwas, woran ich glauben kann.
VIER Weil es besser ist, an etwas zu glauben.
EINS Weil der Glaube Lügen versetzt.
ZWEI Ich möchte gerne als etwas Sympathisches wirken. Weil jeder am liebsten etwas Sympathisches wahrnehmen will. Und in der Wahrnehmung der anderen möchte ich einen festen Platz. Ich versuche lebenslustig und attraktiv zu sein. Um nicht wieder von meinem Platz davongejagt zu werden. Erkämpfen und verteidigen. Ich kann die zweite Hälfte gleicher Interessen sein. Auf dem Parkett der Erwartungshaltungen mache ich eine gute Figur. Wenn die Nachfrage nach mir fragt, werde ich eine schnelle Antwort sein. Wo ein Mangel herrscht, bin ich schon zur Stelle.
VIER Jemand, der übergangen wird.
DREI Weil er keine Aufmerksamkeit erregt.
VIER Jemand, der wertlos ist.
DREI Jemand, der in der Wirklichkeit nichts bewirkt.
VIER Jemand, der sich wünscht, nicht unerwünscht zu sein.
DREI Ich setze mich hin und denke nach. Und dabei fallen mir die unmöglichsten Gegenstände ins Wort.
EINS Ich lebe in einer Zweizimmerwohnung, weil eine Zweizimmerwohnung genau meinen Bedürfnissen entspricht.
ZWEI Ich werde Kinder bekommen, weil Kinder nach Babynahrung schreien.
EINS Ich lebe in einer Stadt, weil Städte nach Bewohnern suchen.
ZWEI Ich werde eine Familie gründen, weil Familien überall gern gesehen sind.
EINS Ich bewohne jetzt eine Verpackung in der richtigen Größe.
ZWEI Ich werde irgendwann sterben, damit man mich zu den Verstorbenen zählen kann.
VIER Wir müssen uns wohlfühlen können. Wir müssen sagen können, es geht mir gut. Ich bin zufrieden. Ich spüre, es geht mir gut.
DREI Ich brauche das Gefühl, begehrt zu werden.
EINS Und das Gefühl, jemanden zu begehren.
DREI Ich möchte nicht auf dieses Gefühl verzichten müssen.
EINS Ich möchte das Gefühl von Lust verspüren.
ZWEI Alles, was ich fühlen sollte, fühle ich einfach nicht.
EINS Ich fühle mich wie Dreck.
DREI Kleiner als ein Zwerg.
ZWEI Oder weiß wie Schnee.
DREI So gut wie unsichtbar.
EINS Ich habe mich hingesetzt und versucht, ein Gefühl von Lust zu erzeugen.
ZWEI Taub für die Wärme und blind für die Kälte.
DREI Die Zeit und nur die Zeit.
EINS Jeder Tag sagt freundlich, Guten Tag.
ZWEI Aber das Licht taucht nichts in neues Licht.
VIER Wir müssen es genießen können. Wir müssen lernen, zu genießen. Wir müssen sagen können, ich genieße es.
DREI Jeder Augenblick kann etwas Großartiges sein.
EINS Ein Augenblick, den man nicht mehr aus den Augen verliert.
VIER Einen Augenblick lang das Gefühl, unsterblich zu sein.
ZWEI Ein Stück von einer ganz besonderen Schokolade.
EINS Ein Glas von einem ganz besonderen Wein.
DREI Oder ein Stoff, der sich anfühlt wie Tausendundeine Nacht.
VIER Ich habe sie angerufen, um ihr zu sagen, es geht mir gut.
EINS Ich spreche mit ihr und spreche doch nur mit dem Telephon.
ZWEI Ein Staubsauger, der alles schluckt.
VIER Ein Wischtuch, das alles sauber wischt.
DREI Ich möchte mich ausgefüllt bis in alle Winkel verspüren.
EINS Vollgefüllt.
VIER Bis an den Rand mit Gefühlen gefüllt.
DREI Angefüllt und voll.
ZWEI Endlich zufrieden.
DREI Endlich im Frieden mit sich.
VIER Erleichtert.
EINS Schwerelos.
ZWEI Oder schmerzlos.
VIER Endlich gelöst.
DREI Gelassen.
ZWEI Erlöst.
EINS Mit einem Gefühl von Gemeinsamkeit erfüllt.
DREI Oder sicherer Distanz.
VIER Mit dem Gewicht von Wärme.
ZWEI Ein unberührbarer Gegenstand.
EINS Nichts anderes als ganz gewöhnliche Einsamkeit.
VIER Geboren und schon verloren.
DREI Gestorben und vergessen.
ZWEI Sitzengelassen.
VIER Ein Niemandsland für alle und keinen.
EINS Ich bin mitten auf der Straße stehengeblieben, um zu sehen, was passiert.
DREI Ich habe ihn nicht mehr getroffen, um zu sehen, wie ich darauf reagiere.
ZWEI Ich schaue auf die Uhr und meine Reaktionen gehen prinzipiell falsch.
VIER Ich habe die Augen geschlossen und das Lenkrad einen Moment lang losgelassen.
DREI Als würde ich keine neuen Gefühle mehr ausprobieren. Sondern nur auf die Standardgefühle vertrauen.
EINS Ich gehe tagelang durch die Stadt, um Erlebnissen über den Weg zu laufen.
ZWEI Ich lebe, aber ich erlebe nichts.
VIER Ich habe mich in der Annonce als an allem interessiert und als begeisterungsfähig beschrieben.
ZWEI Ich würde gerne mein Leben erleben.
EINS Ich wäre gerne ein Reiz, der eine Reaktion bewirkt.
DREI Ich möchte jemandem gefallen und in seine Hände fallen.
VIER Das Paradies sagt, Bitte lächeln.
ZWEI Wir lachen, um nicht das Gefühl zu haben, lächerlich zu sein.
VIER Und das Paradies macht ein wirklich schönes Photo von uns.
ZWEI Auf einem Photo.
VIER Auf einem Photo, auf dem man sich gefällt.
ZWEI Hält man sich gut in der Hand.
VIER Jemand sagt, Guten Tag, und, Was kann ich für Sie tun?
ZWEI Was kann ich für Sie tun?
VIER Was kann ich für Sie tun?
ZWEI Wir haben ein Herz und immer etwas auf dem Herzen.
VIER Ich habe mir vorgestellt.
ZWEI Jemand würde sich für mich entscheiden.
VIER Jemand würde mich mit zu sich nach Hause nehmen.
ZWEI Jemand würde sein Haus auf mir errichten.
VIER Jemand würde sogar sein Haus für mich verkaufen.
DREI Ich möchte jemandem gehören.
EINS Ein Gefühl in der Gefühlswelt eines anderen.
DREI Ein positiver Gedanke in seiner Gedankenwelt.
EINS Meine Gedanken flattern umher, weil es niemanden gibt, der sie mir hält.
DREI Ich stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden, aber mein Kopf steckt im Sand meiner Gefühle.
VIER Wir müssen uns endlich befreien.
ZWEI Um ein Gefühl von Freiheit zu empfinden.
VIER Wir müssen endlich anders werden.
EINS Um ein Gefühl von Gleichgültigkeit zu verspüren.
DREI Ein Gefühl von Kälte.
ZWEI Ein Gefühl von Sorglosigkeit.
VIER Ich möchte etwas sein, das ich akzeptieren kann.
DREI Jemand, mit dem ich mich identifizieren kann.
VIER Etwas Besonderes.
EINS Oder Schönes.
VIER Etwas Zufriedenstellendes.
DREI Jemand, der bis in den letzten Winkel hinein glücklich ist.
ZWEI Ich möchte genauso sein wie die anderen. Ich möchte genau die gleichen Gefühle haben. Und nicht mehr oder weniger davon. Ich möchte nicht mit eigenen Schritten aus der Reihe tanzen. Und mir dann mit meinem Egoismus kalte Füße holen. Selber schuld.
EINS Selber schuld.
VIER Selber schuld.
ZWEI Wer glaubt, alles besser zu wissen.
EINS Ich liebe den Regen.
VIER Ich hasse den Regen.
EINS Ich liebe meine Regenjacke.
VIER Ich würde den Regen keine Sekunde lang vermissen.
EINS Ich liebe meine gelbe, atmungsaktive Regenjacke.
VIER Ich hasse gelb.
EINS Ich liebe gelb.
VIER Gelb ist eine häßliche Farbe.
EINS Es gibt nichts, das häßlich ist.
VIER Jedes einzelne Wort kann häßlich sein.
DREI Zuviel an Nähe.
ZWEI Zuviel an Forderungen.
VIER Jedes Wort zuviel.
DREI Ich habe Angst davor, ich könnte einmal im Meer ertrinken.
ZWEI Oder in einem Flugzeug sitzen, das abstürzen wird.
VIER Oder bei einem Unfall durch die Windschutzscheibe geschleudert werden.
EINS Ich würde mir gerne einen Hund oder eine Katze kaufen. Um zu sehen, welche Gefühle ich dafür entwickle.
ZWEI Ich habe die Angst, ich könnte mit einem Mal nichts mehr empfinden.
VIER Oder mit einem Mal einfach keine Bedürfnisse mehr haben.
ZWEI Weder ein Gefühl von Mitleid.
VIER Noch von Trauer.
DREI Ich wollte ein Gefühl von Verlust verspüren.
EINS Ich wollte dieses Gefühl von Sehnsucht empfinden.
VIER Man sagt, zum Beispiel, Ich spüre mich.
EINS Ich spüre meinen Körper.
VIER Ich spüre, wie gut mir das tut.
EINS Der Körper wird es mir danken.
VIER Es gibt jemanden, der mich liebt.
EINS Es gibt jetzt ein Medikament, das hilft.
VIER Es gibt immer einen Weg.
EINS Der bessere Weg zum Ziel.
ZWEI Ich hasse jede Form von Schmerz.
VIER Wenn man sich beim Ausdrücken der Zigarette verbrennt.
DREI Oder wenn man sich mit der Nagelschere sticht.
ZWEI Ich hasse das Gefühl, verwundbar zu sein.
EINS Eine winzige, offene Stelle im Mund.
DREI Eine Wimper unter dem Augenlid.
VIER Das Gefühl, jedes einzelne Haar auf dem Kopf zu spüren.
EINS Ich wurde zusammengeschlagen. Es war an einem Montag abend. Der sechzehnte Mai.
ZWEI Sie fragten mich um Feuer.
EINS Ich hielt mir die Hände vors Gesicht.
ZWEI Ich suchte nach meinem Feuerzeug und noch immer läuteten keine Alarmglocken in mir.
EINS Ich krümmte mich zusammen.
ZWEI Vor lauter Aufregung verspürte ich keinen Schmerz.
EINS Ich hätte das Gefühl von Wut empfinden sollen.
ZWEI Ich mußte Bitte sagen vor jedem Schlag.
EINS Sie traten mich in den Bauch.
ZWEI Aber der Schmerz beschäftigte sich nicht mit mir.
EINS Ich spürte weder ein Geräusch noch Helligkeit oder Dunkelheit.
ZWEI Ich verlor den Boden der Gefühle unter mir.
VIER Ich habe versucht, mich zu erinnern.
DREI Ich brauche das Gefühl, mit einer großen Anzahl von Erinnerungen zu leben.
VIER Ich möchte mehr Erinnerungen produzieren können.
DREI Mein Vater ist an einer Lungenentzündung gestorben.
ZWEI Mein Vater an einem Schlaganfall.
DREI Es war ein Donnerstag.
ZWEI Es war ein Tag, an den ich mich nicht gerne erinnere.
VIER Ich wurde an einem Donnerstag geboren.
EINS Mit sechs Jahren hatte ich eine Blinddarmentzündung und mußte ins Krankenhaus.
ZWEI Mit sechzehn war ich dick und häßlich.
DREI Ich habe so gut wie jeden Tag eine andere Nagellackfarbe ausprobiert.
ZWEI Ich blieb in jeder Pause auf meinem Sessel sitzen.
DREI Den Nagellack habe ich mit den Zähnen wieder heruntergebissen.
ZWEI Man hätte mir verbieten können weiterzuleben. Und ich hätte nichts dagegen einzuwenden gehabt.
VIER Genau heute vor einem Jahr ist mein Bruder bei einem Verkehrsunfall gestorben. Er ist einer von den eintausendfünfhundert Verkehrstoten des letzten Jahres.
EINS Vor einem Jahr um diese Zeit habe ich einen geräumigen Kombi gekauft.
DREI Letztes Jahr um diese Zeit habe ich plötzlich eine Tomatenallergie bekommen.
VIER Er ist verschwunden, aber die Gefühle für ihn sind dageblieben.
EINS Jetzt fühle ich mich damit belastet.
DREI Jetzt ist davon nichts mehr zu sehen und zu spüren.
VIER Jedes Mal, wenn das Telephon läutet, denke ich zuerst an ihn.
DREI Von Kopf bis Fuß kleben Länder an uns. Die schmeichelhaftesten Namen. Ein ganzer Kontinent paßt auf einen Tisch. Und wir lassen uns schmecken, was uns das süßeste Versprechen schenkt. Wir essen und werden vollkommen verdaut. Wir haben so viele Türen wie Sinnesorgane und an jeder Tür wird geklopft. Es hat gar keinen Sinn, sich zu verschließen. Alles findet ein Schlupfloch zu uns herein.
EINS Es gibt immer mehr Dinge, die in meine Hände passen.
ZWEI Immer öfter will ich etwas berühren, das es noch gar nicht gibt.
VIER Meine Hände fühlen sich besser, wenn sie etwas in Händen halten.
ZWEI Immer öfter empfinde ich Gefühle, die ich nicht zuordnen kann.
EINS Gefühle wie Phantome.
VIER Oder Lügen.
ZWEI Oder Fallen.
EINS Gefühle, die nichts mit mir zu tun haben können.
ZWEI Gefühle, die rein zufällig sind.
VIER Die Farbe des Himmels wird immer blau sein.
ZWEI Die Farbe der Blätter immer grün.
DREI Ich möchte das Gefühl von Nähe verspüren.
VIER Von Gemeinschaft.
EINS Oder Geborgenheit.
VIER Wir müssen uns wohlfühlen können. Wir müssen sagen können, ich fühle mich wohl. Im Rahmen meiner Möglichkeiten. Innerhalb der Grenzen, die gezogen wurden. Am feinsten Sandstrand, den man sich nur vorstellen kann. In einem Jahr mit über dreihundert Sonnentagen.
DREI Jeder ist zerbrechlich.
EINS Zerbrechlicher als ein Insekt.
ZWEI Zerbrechlicher als ein Insekt aus Glas.
DREI Jeder ist wertlos.
EINS Jeder ist hilflos.
ZWEI Jeder ist tot.
DREI Jeder ist gestorben und vergessen.
VIER Wir werden nicht dafür bestraft.
EINS Wir sind nicht verantwortlich dafür.
ZWEI Wir können dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
DREI Wir werden nicht gefragt.
EINS Wir wissen nicht, welche Pflichten wir haben.
ZWEI Wir sind von allen Pflichten entbunden.
DREI Wir sind uns selbst überlassen.
EINS Wir haben dafür gekämpft.
ZWEI Wir haben es so gewollt.
DREI Wir haben immer nur das Beste gewollt.
VIER Ich habe mein Telephon abgesteckt, damit ich nicht darauf warte, daß es läutet.
EINS Ich habe aufgehört, zu rauchen, damit es etwas gibt, das ich mir verbieten kann.
DREI Morgens vor dem Spiegel schneide ich zuerst einmal Grimassen, damit ich mich dann in aller Ruhe schminken kann.
ZWEI Irgendwann haben die Depressionen angefangen, tablettensüchtig zu werden.
DREI Mit jeder Jahreszeit steht eine neue Diät auf dem Speiseplan.
ZWEI Ich habe mir ein neues Paar Schuhe gekauft, um ein Gefühl von Aktivität zu verspüren.
VIER Ich bin hinein, um mir ein weißes Hemd zu kaufen. Und heraus kam ich mit einer schwarzen Lederjacke.
DREI Die Handschuhe, die ich mir kaufen wollte und nicht leisten konnte, werden jetzt von anderen Händen getragen.
EINS Ich habe mir diese Bilder immer wieder angesehen. Um ein Gefühl von Betroffenheit zu empfinden.
VIER Oder von Scham.
DREI Oder Dazugehörigkeit.
EINS Oder Überraschtsein.
ZWEI Ich habe den Fernseher ausgeschaltet, aber seine Stimme hat einfach weitergesprochen.
VIER Die Augen zu öffnen.
DREI Nichts mehr zu sehen und nichts mehr zu hören.
ZWEI Den Kopf hinunter.
VIER Müde.
DREI Oder gelangweilt.
ZWEI Erschöpft.
VIER Wovon?
DREI Wovon?
EINS Eine Insel, die Frieden ist. Eine Insel voller Frieden in mir. Etwas, an das man sich nicht erinnern wird. Bestens aufgehoben im besten Vergessensein. Widerstände fallen. Und die Wellen springen jetzt mit Leichtigkeit über die Ufer hinweg. Wir brauchen keine Angst mehr zu haben, es könnte sich niemand für unsere Rettung interessieren. Keine Angst mehr, unsere Erlösung wäre jedem egal. Wir sind keine Aufgabe mehr. Kein Problem. Keine noch so interessierte Frage. Keine noch so ehrlich gemeinte Antwort. Die Erlösung treibt losgelöst auf dem offenen Meer. Dorthin brauchen keine Postkarten geschickt zu werden. Keine lieben Grüße und keine Gedanken von Verwandten. Wir haben es gut und haben alles andere hinter uns. Eine Insel bis zum Grund des Meeres. Wie selbstverständlich umarmt und beschützt von jemandem, der uns liebt. Wunschlos im Wunsch eines anderen. Zukunftslos eingeschlossen in der Zukunft von uns allen. Mitten in der Zeit, die stehengeblieben ist.
DREI Ich bin durch die Gänge gewandert.
VIER Fröhliche Gesichter.
DREI Und lachende Einkaufswagen.
VIER Eine gesunde Kindheit.
DREI Und eine glückliche Gesundheit.
VIER Gute Laune.
DREI Die nichts Schlechtes verderben kann.
VIER Sich einfach nur zu freuen.
DREI Sich leicht zu fühlen.
VIER Sich zu entspannen.
DREI Und teilzunehmen.
VIER Winterlich wie die schneebedeckten Alpen.
DREI Sommerlich wie die unzähligen Badeseen.
VIER Ja sagen können zu allem.
DREI Und ein Gefühl von Dankbarkeit empfinden.
ZWEI Eine neue Armbanduhr, die meine Gedanken lesen kann.
EINS Ein Paar Stiefel, die den richtigen Weg gehen.
DREI Eine wunderbare Reise für die Reisetasche.
ZWEI Eine Urlaubsreise zu den schönsten Phantasien.
VIER Autoreifen, die alles in Kauf nehmen und die jetzt günstig zu kaufen sind.
EINS Ein leistungsstarker Computer, den man sich auch leisten kann.
DREI Ein rauschfreies Telephon.
ZWEI Ein weicher Pullover.
VIER Die vereinigten Farben von Amerika.
EINS Eine neue Brillenfassung.
ZWEI Die sich sehen lassen kann.
VIER Etwas, das nichts kostet.
EINS Aber das sich bezahlt machen wird.
DREI Ich möchte ausschließlich Dinge besitzen, in denen ich mich wiedererkennen kann.
EINS Alles, was man täglich benützt.
ZWEI Die selbstverständlichsten Dinge.
VIER Alles, was uns an den Körper gewachsen ist.
DREI Ich möchte Entscheidungen treffen können.
EINS Richtig oder falsch.
DREI Entscheidungen, die unumkehrbar sind.
EINS Das Gefühl, daß nicht alles schon längst entschieden ist.
DREI Entscheidungen, die nicht umsonst gewesen sind.
EINS Ein Platz, der nicht schon reserviert ist für uns.
ZWEI Ich lege mich am frühen Abend ins Bett und beginne aus lauter Langeweile zu masturbieren.
VIER Eine Gefängniszelle.
ZWEI Ein Puppengeruch.
DREI Oder endlich eine Heimat.
EINS Schöner wohnen.
DREI Und leichter leben.
ZWEI Ich beschäftige mich mit meiner Sexualität, aber es kommt kein richtiges Gefühl heraus.
VIER Ich versuche zu träumen, aber mir fallen nicht die richtigen Träume ein.
ZWEI Könnte man sich dabei stärker spüren.
VIER Oder wenigstens Neuigkeiten erleben.
ZWEI Könnte man sich danach anders fühlen.
VIER Ausgeglichener vielleicht.
ZWEI Oder lebendiger.
VIER Oder weniger unbestimmt.
EINS Ich bin auf dieser Brücke ausgestiegen und habe mich ans Geländer gestellt.
DREI Ich hätte nicht sagen können, was von beiden das Bessere oder Schlechtere ist.
EINS Ich habe mich darüber gebeugt und hinuntergesehen.
DREI Ich habe schon so oft etwas bereut.
EINS Ich konnte mich nicht entscheiden.
DREI Man kann vom Dach eines Hochhauses springen.
EINS Oder von der Aussichtsplattform eines Fernsehturms.
DREI Aus einem Fenster ganz oben.
EINS Aus einem Sportflugzeug.
DREI Von einem Schiff ins Meer.
EINS Aus einem fahrenden Zug.
DREI Von einem Felsvorsprung.
EINS Ohne Abschiedsbrief.
DREI Ohne vorher noch mit jemandem ein letztes Mal zu telephonieren.
EINS Ich konnte mich einfach nicht entscheiden.
DREI Ich hatte Angst, ich würde mich vielleicht für das Schlechtere entscheiden.
ZWEI Ich möchte doch nur in anderen Sympathiegefühle für mich erzeugen.
VIER Eine positive Aufmerksamkeit erregen.
ZWEI Ich möchte jemand sein, für den man ein Interesse entwickeln kann.
VIER Jemand, der nicht enttäuscht.
ZWEI Jemand, der es wert ist, in ihn Gefühle zu investieren.
VIER Weil er diese Investition belohnen kann.
ZWEI Ich möchte für jemanden gewinnbringend sein.
EINS Ich habe mir den Helm aufgesetzt und bin so einen ganzen Tag lang durch die Stadt gegangen.
ZWEI Ich habe meine Hände unter heißes Wasser gehalten.
VIER Ich habe sie angerufen und sofort wieder aufgelegt.
DREI Ich wollte mich dafür rächen.
EINS Ich wollte mich wie ein Idiot benehmen.
VIER Ich habe mich hingekniet und versucht zu erbrechen.
DREI Eine ganze Stunde lang unter der Dusche.
ZWEI Alle alten Kleidungsstücke in den Müll.
EINS Ich habe mir einen Pullover von ihr angezogen.
DREI Seine Finger hinterließen keine Fingerspuren auf mir.
VIER In einem dieser Magazine.
EINS In dieser Sendung.
VIER Habe ich gelesen.
EINS Habe ich gehört.
ZWEI Eine ganze Generation verbrauchter Gefühle.
DREI Mein Blut fließt unbeeindruckt davon durch den Körper.
EINS Die Tabletten erzeugen genau die Gefühle, die auf dem Beipackzettel beschrieben sind.
ZWEI Man zieht die Dornen ein.
DREI Ausreden bis über beide Ohren.
EINS Man kann zumindest behaupten, man hätte das Sterben schon ausprobiert.
VIER Es gibt keine Möglichkeit mehr zu fliehen.
ZWEI Wovor?
EINS Wovor?
DREI Man braucht nicht mehr zu fliehen.
VIER Ich habe angefangen, zu essen. Ich habe angefangen, alles in mich hineinzustopfen.
DREI Alles, was einem gestohlen wurde.
EINS Alles, auf das man Anspruch hat.
VIER Alles, was uns gehört.
DREI Alles, was uns fehlt.
EINS Ich möchte das Gefühl von Haß verspüren.
ZWEI Jemanden dafür hassen.
EINS Könnte man ein Gefühl von Haß entwickeln.
DREI Wir können niemanden hassen.
VIER Jeden.
ZWEI Für irgend etwas.
VIER Für alles.
DREI Niemanden.
EINS Nicht einmal uns selbst.
VIER Jeden im Prinzip.
ZWEI Und vielleicht hätte man damit recht.
EINS Vielleicht.
DREI Vielleicht.
EINS Ein Gefühl von Überlegenheit.
DREI Oder Überwindung.
VIER Ein Gefühl von Stärke.
ZWEI Eine intensivere Beziehung.
EINS Ein Haß, der Feindschaft erzeugt.
VIER Ein Widerstand.
DREI Das Gefühl, herausgefordert zu sein.
EINS Handeln zu müssen.
VIER Gezwungen sein.
DREI Plötzlich eine Kraft in sich zu spüren.
ZWEI Jemand, der etwas will.
EINS Der ganz genau weiß, was er will.
VIER Jemand, der sich nimmt, was er braucht.
ZWEI Jemand, der handelt, als wäre es.
EINS Das Selbstverständlichste.
VIER Ohne die geringste Unsicherheit.
ZWEI Vollkommen ruhig.
EINS Und fehlerlos.
DREI Ich möchte mich selbst als eine feste Form empfinden. Ich möchte über ein Gefühl von Stabilität verfügen.
VIER Eine Farbe, die nicht plötzlich ins Farblose verschwindet.
ZWEI Grundmauern, die nicht grundlos versinken.
EINS Kein Schatten.
VIER Oder ein Wort.
ZWEI Von allen Seiten gleich schön.
DREI Ein Gefühl, das einen nicht sitzen läßt.
EINS Eine dauerhafte Einrichtung.
ZWEI Wie maßgeschneidert.
VIER Ein Stoff, der auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist.
DREI Begehrenswert.
EINS Tadellos.
ZWEI Jetzt und für immer.
VIER Eine eigene Meinung.
DREI Und ein eigener Wille.
EINS Eine eigene Wohnung.
ZWEI Eine eigene Art zu leben.
VIER Das Gefühl von Individualität.
EINS Selbstbestimmung.
DREI Individuell bis in alle Winkel hinein.
VIER Individuell und sorgenfrei.
ZWEI Genießen.
EINS Und nichts anderes.
VIER Menschen, die sich wohlfühlen können.
DREI Menschen, die Lust empfinden.
ZWEI Wissen, was es heißt.
EINS Vorteile gegenüber anderen.
VIER Vorgesorgt haben.
DREI Menschen mit Zukunft.
EINS Könige.
ZWEI Und Königinnen.
VIER Einen Schutz, den sonst nur Engel bieten.
DREI Jemanden zu lieben.
EINS Und nicht zu sterben.
ZWEI Zu atmen und nicht nur die Sekunden hinauszublasen.
VIER Hundert Jahre Schlaf.
DREI Oder schlaflos in der Hölle.
EINS Ein Herz.
ZWEI Und eine gute Seele.
EINS Vergeben.
DREI Gestorben und vergessen.
VIER In Hülle und Fülle.
ZWEI Wünsche, die in Erfüllung gehen.
DREI Ich möchte das Gefühl von Nähe verspüren.
EINS Von Gemeinschaft.
VIER Oder Geborgenheit.
ZWEI Von Zufriedenheit.
EINS Oder Frieden.