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Keine Liebe für Niccolò und Mavi im Nebel in der Umgebung von Rom

© Text Robert Woelfl Alle Rechte beim Autor

Text (nach dem Film „Identifikation einer Frau“ von Michelangelo Antonioni) für die Installation und Performance „Theaterminiatur“ von Alexander Schellow und David Weber-Krebs, Sophiensäle Berlin, 2008

Liebst du mich?

Ich liebe dich, Mavi.

Ich bin in der Blüte meiner Jugend. Es ist ganz natürlich, dass du mich liebst.

Ich liebe dich aus vielen Gründen.

Ich weiß nicht, ob ich dich auch liebe, Niccolò.

Warum nicht? Ich habe dir so viel zu bieten.

Was zum Beispiel?

Ich bin ein berühmter Filmregisseur in Rom.

Du bist ein Filmregisseur in der Krise.

Ich bin auf der Suche nach einer Idee für meinen nächsten Film.

Du bist ein Filmregisseur, der von seiner Frau verlassen worden ist. Du bist ein Filmregisseur, der wahrscheinlich nie mehr einen Film drehen wird.

Ich bin ein Filmregisseur, der immer noch gut aussieht. Und ich habe ein Auto. Und ich lebe in Rom.

Hast du eine Hauptrolle für mich?

Ich bin erst auf der Suche nach einer Idee.

Wenn du eine Hauptrolle für mich hättest, würde ich dich lieben. Ich würde mich mit dieser Liebe zu dir identifizieren.

Vielleicht drehe ich einen Film über den Nebel.

Ist das dein Ernst?

Ich werde einen Film über den Nebel drehen.

Über welchen Nebel? Über diesen Nebel hier?

Über den Nebel auf den Landstraßen, über den Nebel auf den Autobahnen, über den Nebel außerhalb von Rom.

Du bist ein Mann im mittleren Alter, der von seiner Frau verlassen worden ist und der jetzt eine junge Geliebte hat, und da willst du einen Film über den Nebel drehen?

Ja.

Du bist ein alternder Filmregisseur in der Krise und da solltest du einen Film über die Liebe drehen.

Ich habe mich schon entschieden.

Und was gibt es in diesem Film für eine Hauptrolle?

In diesem Film gibt es keine Hauptrolle.

Welche Rolle spiele ich dann?

Du bist doch überhaupt keine Schauspielerin, Mavi. Du arbeitest in der Praxis meiner Schwester.

Ich schlafe mit dir, damit du deine Krise überwindest, und jetzt willst du statt über mich einen Film über den Nebel drehen.

Es tut mir leid.

Ich schlafe mit dir, damit du in deinem Film einen Frauenkörper in der Blüte der Jugend zeigst, und jetzt willst du stattdessen Nebel zeigen.

Ja.

Mit einem Film über den Nebel auf den Landstraßen wirst du aber meine Liebe nicht gewinnen, Niccolò.

Ich muss aus meiner Krise heraus. Ich muss meinem Leben wieder einen Sinn verleihen, und das geht nur mit einem Film über den Nebel.

Nein.

Doch. Das geht nur mit diesem Nebel.

Nein. Das geht nur mit meinem Körper. Mit diesem Körper in der Blüte der Jugend.

Ich habe schon in so vielen anderen Filmen Frauenkörper in der Blüte der Jugend gezeigt.

Deshalb warst du auch so erfolgreich.

Das stimmt. Ich war ein erfolgreicher Filmregisseur. Und an diesen Erfolg muss ich wieder anschließen.

Ich habe angenommen, dass mein Körper deinem Leben wieder einen Sinn verleiht und dass dein Film meinem Leben wieder einen Sinn verleiht, und jetzt sagst du, dass nur der Nebel deinem Leben wieder einen Sinn verleiht.

Ja.

Ich habe angenommen, dass die Blüte meiner Jugend dich wieder erfolgreich macht und dass dein Film mich wieder erfolgreich macht, und jetzt behauptest du, dass nur der Nebel dich wieder erfolgreich macht.

Ja.

Vielleicht macht dieser Nebel dich wieder erfolgreich und gibt deinem Leben wieder einen Sinn, aber dieser Nebel wird nicht bewirken, dass ich mich in dich verliebe.

Warte, bis der Film fertig ist.

Nie.

Warte, bis der Film ein großer Erfolg ist.

Ich kann mich mit diesem Nebel nicht identifizieren. Ich kann mich nur mit einer anspruchsvollen Hauptrolle in einem neunzigminütigen Film identifizieren.

Ich liebe dich, Mavi.

Du liebst mich, aber du hast mir nichts zu bieten.

Ich bin ein Filmregisseur in Rom. Und ich habe ein Auto. Und ich kenne ein Landhaus. Ein wunderschönes Landhaus mit Grundmauern aus dem Mittelalter.

Ich hasse diesen Nebel, Niccolò. Wir werden nie weiterfahren können. Wir werden nie bei diesem Haus ankommen.